Labyrinthe im Schatten Ringvorlesung zum 'Film Noir'
Prof. Müller u.a.
Film Noir, das ist die Welt der dunklen, schlüpfrigen Großstadtstraßen, des Verbrechens und der Korruption, schreibt der amerikanische Autor und Regisseur Paul Schrader. Film Noir, das ist die Welt der Bars, der Hinterhöfe, der billigen Hotels. Eine Welt im Schatten, in der es um Verlust, Verrat und falsche Versprechungen geht, um Eifersucht, Gewalt und Untergang. Ihre Helden sind einsam und melancholisch, verstricken sich schicksalhaft in einen Kriminalfall, den sie irgendwann selbst nicht mehr durchschauen können. Film Noir, schreibt der deutsche Filmkritiker Norbert Grob, meint die Angst angesichts der Dunkelheit, die nicht weicht. Die verlorene Gegenwart, für die es keinerlei Ersatz gibt. Film Noir ist ein Stil, der sich in den 1940er Jahren und frühen 50er Jahren ins Hollywoodkino eingeschlichen hat. Er ist ein Ausdruck für die allgemeine Infragestellung von Werten und Normen, die mit der unmittelbaren Kriegs- und Nachkriegserfahrung einherging. Sein Ton ist zynisch und pessimistisch, die Bildlichkeit mitunter artifiziell. Durch extreme Beleuchtungseffekte inszeniert der Film Noir den ebenso künstlichen wie undurchschaubaren Charakter des Wirklichen. Exemplarisch für diesen Stil stehen Filme wie TOTE SCHLAFEN FEST (THE BIG SLEEP, 1946) von Howard Hawks oder GOLDENES GIFT (OUT OF THE PAST, 1947) von Jacques Tourneur.
In einer Ringvorlesung sollen Einflüsse und Wirkung des Film Noir offen gelegt und seine Beziehungen zu anderen Medien, zur Fotografie und Musik, beleuchtet werden. Die Vortragsreihe untersucht seine Wurzeln, die in die amerikanische Literatur reichen, zu Krimiautoren wie Dashiell Hammett und Raymond Chandler. Sie hinterfragt die Bedeutung, die deutsche Filmexpressionisten für die Entwicklung des visuellen Stils hatten. Und sie untersucht den modernen Film Noir, der unter dem Begriff Neo-Noir bis heute im Kino fortlebt in Filmen wie LOST HIGHWAY (USA 1996) von David Lynch oder L. A. CONFI DENTIAL (USA 1997) von Curtis Hanson.