1 Einführung
Die Alltagsmobilität von Personen und Personengruppen wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Um sie zu verstehen, werden im Rahmen dieses Wirkungsmodells räumliche, soziokulturelle und mobilitätsbezogene Einflüsse untersucht. Das vorliegende Factsheet wertet im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsprojekts “Kompass” für den Laborraum Augsburg die Anzahl der täglichen Wege mit dem motorisierten Individualverkehr (MIV) sowie die Anzahl täglicher Wege der aktiven Mobilität (Fuß- und Radverkehr) aus.
Ziel dieses Factsheets ist es, anhand von determinierenden Einflussfaktoren Wirkungszusammenhänge des Mobilitätsverhaltens im Untersuchungsraum Augsburg aufzuzeigen, um Hebel zur nachhaltigen Veränderung der Alltagsmobilität zu identifizieren.
2 Datenaufbereitung und Beschreibung des Datensatzes
Der im Rahmen des Kompass-Forschungsprojekts harmonisierte Datensatz der beiden unabhängigen Querschnitsserhebungen Mobilität in Deutschland (MiD 2017) und Mobilität in Städten (SrV 2018) bildet die Datengrundlage des entwickelten Wirkungsmodells. In diesem Factsheet werden innerhalb des fusionierten MiD-SrV-Datensatzes die Mobilitätsdaten auf Personenebene des Untersuchungsraums Augsburg analysiert.
Weitere Informationen zu den beiden unabhängigen Erhebungen finden Sie auf den Webseiten Mobilität in Städten (SrV) und Mobilität in Deutschland (MiD).
Untersucht werden auf Personenebene:
mobile Personen (Personen, die mindestens einen Weg am Stichtag der Befragung hatten),
die sich am Stichtag an ihrem Wohnort befanden,
an einem mittleren Werktag in der Kernwoche (Dienstag-Donnerstag) und unter Ausschluss von Feiertagen berichteten.
Insgesamt umfasst die betrachtete Stichprobe auf Personenebene nach der Anwendung der beschriebenen Filterregeln 16.319 befragte Personen (ungewichtet). Vertiefende Analysen der Datenstrukturen und der Alltagsmobilität im Laborraum Augsburg wurden unter anderem im zweiten Zukunftslabors am 17.02.2023 in einer Präsentation vorgestellt.
3 Datenexploration
Einen ersten Eindruck über die untersuchten Zielgrößen liefert die Häufigkeitsverteilung der zugehörigen Werte im Datensatz. Hierfür werden die beiden abhängigen Variablen zunächst in ihrer Ausprägung im Datensatz untersucht.
MIV-Wege sind hierbei Wege, bei denen nach der Verkehrsmittelhierarchie das Hauptverkehrsmittel
Moped/Mofa/Motorrad/Motorroller,
Pkw (Fahrer oder Mitfahrer) oder
Carsharing-Fahrzeug gewählt wurde.
Als aktive Wege werden Wege verstanden, welche:
ausschließlich zu Fuß oder
mit dem Hauptverkehrsmittel Fahrrad/Leihfahrrad/Elektrofahrrad/Pedelec zurückgelegt wurden.
3.1 Anzahl der MIV-Wege pro mobiler Person und Tag
Als abhängige Variable wird zunächst die Anzahl der täglichen MIV-Wege untersucht. Sie ist ein Indikator für die MIV-Nutzung in der Alltagsmobilität der befragten Personen. Aus Abbildung 1 wird deutlich, dass etwa 3.800 Personen in der Stichprobe, keine MIV-Wege am Stichtag verzeichneten. Mit über 5.000 Fällen wurden am häufigsten zwei MIV-Wege am Stichtag berichtet, ein weiterer “Peak” wird bei vier MIV-Wegen am Stichtag erreicht. Die Häufung von geraden Wegeanzahlen erklärt sich unter anderem daraus, dass MIV-Wege häufig in Ausgängen mit sowohl einem Hin- als auch einem Rückweg enthalten sind und vergleichsweise selten Aktivitäten verkettet werden.
3.2 Anzahl der aktiven Wege pro mobiler Person und Tag
Bei den Wegen der aktiven Mobilität (zu Fuß, mit dem Fahrrad) in Abbildung 2 zeigt sich erneut, dass mit über 9.000 Fällen ein Großteil der befragten Personen keine (eigenständig) aktiven Wege am Stichtag hatte. Auch bei der Anzahl der aktiven Wege am Stichtag wird analog zur Häufigkeitsverteilung der Anzahl der MIV-Wege ein ähnliches Muster mit “Peaks” bei null, zwei und vier aktiven Wegen pro mobiler Person und Tag festgestellt.
3.3 Betrachtete Einflussgrößen und deren Verteilung im Datensatz
Wie bereits in der Einführung beschrieben, wurden sowohl (1) räumliche, als auch (2) soziokulturelle und (3) personenbezogene Einflussfaktoren der Alltagsmobilität abgegrenzt und untersucht.
Zu den räumlichen Erklärungsgrößen zählen:
regionalstatistischer Gemeindetyp nach RegioStarGem5
Versorgungsqualität/Nahversorgung im Wohnumfeld
Qualität des ÖPNV im Wohnumfeld
Relief im Wohnumfeld
Als soziokulturelle Einflüsse wurden folgende Variablen als Erklärungsgrößen analysiert:
Geschlecht
Altersgruppen
Haushaltstyp
Kaufkraft des Haushalts
Erwerbstätigkeit
Hochschulabschluss
Als mobilitätsbezogene Erklärungsgrößen sind in das Wirkungsmodell folgende Variablen eingeflossen:
Pkw-Verfügbarkeit
Besitz einer ÖPNV-Zeitkarte
übliche Fahrradnutzung im Alltag
Multimodalität vs. Monomodalität
Einen Eindruck über die räumliche Verteilung der Erklärungsgrößen und die Merkmalsausprägung der abhängigen Variablen (Mittelwerte der MIV-Wege und aktiven Wege) im Datensatz liefert Tabelle 1. Die Auswertungen zeigen, dass der (gewichtete) Mittelwert in Regiopolen im Untersuchungsgebiet bei rund 1,7 MIV-Wegen und 1,6 (eigenständig) aktiven Wegen pro mobiler Person und Tag liegt, während er im kleinstädtischen und dörflichen Raum bei rund 2,7 MIV-Wegen und nur 0,8 (eigenständig) aktiven Wegen pro mobiler Person und Tag liegt. Das ist ein erster Hinweis auf einen starken Einfluss räumlicher Erklärungsgrößen auf das Mobilitätsverhalten im Alltag.
Charakteristik | Regionalstatistischer Raumtyp | |||
---|---|---|---|---|
Regiopole, Großstadt,
N = 2116 |
zentrale Stadt, Mittelstadt,
N = 1237 |
städtischer Raum,
N = 2593 |
kleinstädtischer, dörflicher Raum,
N = 2353 |
|
ERHEBUNG | ||||
MiD 2017 | 150 (7,1%) | 1.237 (100%) | 2.593 (100%) | 2.353 (100%) |
SrV 2018 | 1.966 (93%) | 0 (0%) | 0 (0%) | 0 (0%) |
ÖPNV_QUALITÄT | ||||
schlecht/sehr schlecht | 180 (8,5%) | 897 (73%) | 1.657 (64%) | 2.092 (89%) |
gut/sehr gut | 1.936 (91%) | 340 (27%) | 936 (36%) | 261 (11%) |
VERSORGUNGSQUALITÄT | ||||
schlecht/sehr schlecht | 122 (5,7%) | 330 (27%) | 778 (30%) | 1.432 (61%) |
gut/sehr gut | 1.995 (94%) | 907 (73%) | 1.815 (70%) | 921 (39%) |
KAUFKRAFT | ||||
niedrig/sehr niedrig | 960 (45%) | 513 (41%) | 652 (25%) | 529 (22%) |
mittel | 501 (24%) | 236 (19%) | 583 (22%) | 543 (23%) |
hoch/sehr hoch | 655 (31%) | 488 (39%) | 1.359 (52%) | 1.281 (54%) |
RELIEF | ||||
flach (unter 5 %) | 2.107 (100%) | 593 (48%) | 1.152 (44%) | 701 (30%) |
hügelig (5 % und mehr) | 9 (0,4%) | 644 (52%) | 1.441 (56%) | 1.652 (70%) |
FAMILIENHAUSHALT | ||||
kein Familienhaushalt | 1.297 (61%) | 951 (77%) | 1.886 (73%) | 1.582 (67%) |
Familienhaushalt | 819 (39%) | 286 (23%) | 707 (27%) | 771 (33%) |
GESCHLECHT | ||||
männlich | 1.110 (52%) | 616 (50%) | 1.294 (50%) | 1.205 (51%) |
weiblich | 1.006 (48%) | 620 (50%) | 1.299 (50%) | 1.147 (49%) |
ALTER | ||||
Kinder und Jugendliche bis 17 J. | 363 (17%) | 12 (0,9%) | 41 (1,6%) | 48 (2,0%) |
Junge Erwachsene < 35 J. | 495 (23%) | 286 (23%) | 494 (19%) | 443 (19%) |
Mittleres Alter | 937 (44%) | 541 (44%) | 1.294 (50%) | 1.358 (58%) |
Seniorenalter ab 65 J. | 321 (15%) | 397 (32%) | 764 (29%) | 504 (21%) |
ERWERBSTÄTIG | ||||
nicht erwerbstätig | 971 (46%) | 558 (45%) | 1.209 (47%) | 890 (38%) |
erwerbstätig | 1.145 (54%) | 678 (55%) | 1.384 (53%) | 1.463 (62%) |
HOCHSCHULABSCHLUSS | ||||
kein Hochschulabschluss | 1.393 (66%) | 1.015 (82%) | 2.181 (84%) | 2.105 (89%) |
Hochschulabschluss | 724 (34%) | 221 (18%) | 412 (16%) | 248 (11%) |
PKW_VERFÜGBARKEIT | ||||
nein | 235 (11%) | 211 (17%) | 213 (8,2%) | 111 (4,7%) |
ja | 1.881 (89%) | 1.026 (83%) | 2.380 (92%) | 2.241 (95%) |
ÖPNV_ZEITKARTE | ||||
keine Zeitkarte | 1.607 (76%) | 1.092 (88%) | 2.290 (88%) | 2.187 (93%) |
Zeitkarte | 509 (24%) | 145 (12%) | 302 (12%) | 166 (7,0%) |
FAHRRADNUTZUNG | ||||
weniger als wöchentlich oder nie | 867 (41%) | 681 (55%) | 1.580 (61%) | 1.530 (65%) |
mind. wöchentlich | 1.249 (59%) | 556 (45%) | 1.013 (39%) | 823 (35%) |
MULTIMODALITÄT | ||||
Monomodales Verhalten | 675 (32%) | 705 (57%) | 1.556 (60%) | 1.483 (63%) |
Multimodales Verhaltes | 1.441 (68%) | 532 (43%) | 1.037 (40%) | 869 (37%) |
MIV_WEGE | 1,74 (1,87) | 2,02 (1,97) | 2,44 (1,98) | 2,65 (1,90) |
AKTIVE_WEGE | 1,57 (1,92) | 1,28 (1,62) | 1,04 (1,50) | 0,80 (1,30) |
4 Wirkungsmodell (Lineares Mehrebenenmodell)
Als statistisches Modell zur Erklärung von Wirkungszusammenhängen in der Alltagsmobilität wurde ein Mehrebenenmodell geschätzt. Die Unabhänigkeit der Beobachtungen auf Personenebene ist bei Haushaltsbefragungen nicht zwingend gewährleistet, da die Befragungsergebnisse für eine Person vom befragten Haushalt, in welchem die Person lebt, abhängig sein können. In Mehrebenenmodellen (Mixed-Model) können sowohl zufällige Effekte (random effects) als auch feste Effekte (fixed effects) berücksichtgt werden.
In dieser Untersuchung wird ein lineares, gemischtes Modell (Linear-Mixed-Model) genutzt, um die Wirkungszusammenhänge in der Orginalskala (Wege/P, d) darstellen zu können. Die Konstante beschreibt die zu erwartende Anzahl an Wegen je mobiler Person und Tag für die Referenzgruppe. Die marginalen Effekte zeigen den Einfluss der Erklärungsgröße auf die erwartete Anzahl an Wegen bezogen auf das jeweilige Referenzlevel.
Bei einem Wert > 0 erhöht sich die erwartete Anzahl an Wegen/P, d durch die Ausprägung des Prediktors gegenüber dem Referenzlevel.
Bei einem Wert < 0 reduziert sich die erwartete Anzahl an Wegen/P, d um den angegebenen Zahlenwert gegenüber dem Referenzlevel.
Bei einem Wert von annähernd 0 hat die Ausprägung des Prediktors gegenüber dem Referenzlevel keinen starken Einfluss.
Um die Güte der Harmonisierung des MiD-SrV-Datensatzes zu prüfen, wurde die ursprüngliche Herkunft der Daten aus der MiD- bzw. SrV-Erhebung als Prediktorvariable ergänzt. Je kleiner der Effekt, umso höher ist die Qualität der Harmonisierung des kombinierten Datensatzes zu bewerten und umso besser ist der Datensatz für die Aufstellung eines Wirkungsmodells geeignet.
Tabelle 2 zeigt die Ergebnisse des Wirkungsmodells bezogen auf die Erklärung der Anzahl an MIV-Wegen und der Anzahl an aktiven Wegen, die eine mobile Person im untersuchten Laborraum an einem mittleren Werktag (N = 16.319 Personen) berichtete. Aus den statistischen Prüfgrößen gehen folgende Erkenntnisse hervor:
Die Streuung der im Modell geschätzten Werte um die beobachteten Werte ist akzeptabel, da die Varianz der Fehlerterme bzw. Residuen (σ²) moderat ist.
Es existieren Gruppenunterschiede bzw. eine Variation beider abhängigen Variablen zwischen den 10.688 Haushalten (τ00), die über die festen Effekte des Modells hinausgehen.
Aus der Kombination aus σ² und τ00 wird in Bezug auf die Wegehäufigkeit im MIV und in der aktiven Mobilität abgeleitet, dass es sowohl eine erhebliche Variation zwischen den Gruppen (Haushalten) als auch eine individuelle Variation innerhalb der Gruppen gibt.
Sowohl bei den (eigenständig) aktiven Wegen als auch bei den MIV-Wegen werden etwa 25 % (ICC = 0,25) der Gesamtvariation durch die Variation innerhalb der Haushaltsebene erklärt. Die Gruppen- bzw. Haushaltszugehörigkeit hat somit einen Einfluss auf die untersuchten abhängigen Variablen.
In beiden Wegehäufigkeitsmodellen können etwa 35 % der Gesamtvarianz (Conditional R² = 0,35) durch die im Modell berücksichtigten zufälligen und festen Effekte erklärt werden. Das Modell weist somit eine insgesamt zufriedenstellende Erklärungsgüte auf und ist geeignet, um Wirkungszusammenhänge der Alltagsmobilität zu analysieren.
MIV-Wege (Linear Mixed Model) |
Aktive Wege (Linear Mixed Model) |
|||
---|---|---|---|---|
Erklärvariablen | Koeffizienten | CI | Koeffizienten | CI |
(Konstante) | 0.28 | -0.04 – 0.60 | 1.38 *** | 1.13 – 1.63 |
REGION: Regiopole, Großstadt | Reference | Reference | ||
REGION: zentrale Stadt, Mittelstadt | 0.14 | -0.12 – 0.40 | -0.23 * | -0.43 – -0.02 |
REGION: städtischer Raum | 0.24 | -0.01 – 0.50 | -0.33 ** | -0.53 – -0.13 |
REGION: kleinstädtischer, dörflicher Raum | 0.25 | -0.01 – 0.51 | -0.39 *** | -0.59 – -0.19 |
ÖPNV_QUALITÄT: schlecht/sehr schlecht | Reference | Reference | ||
ÖPNV_QUALITÄT: gut/sehr gut | -0.10 ** | -0.18 – -0.03 | 0.09 ** | 0.03 – 0.15 |
VERSORGUNGSQUALITÄT: schlecht/sehr schlecht | Reference | Reference | ||
VERSORGUNGSQUALITÄT: gut/sehr gut | -0.14 *** | -0.22 – -0.07 | 0.25 *** | 0.19 – 0.31 |
KAUFKRAFT: niedrig/sehr niedrig | Reference | Reference | ||
KAUFKRAFT: mittel | 0.10 * | 0.01 – 0.19 | -0.15 *** | -0.22 – -0.08 |
KAUFKRAFT: hoch/sehr hoch | 0.15 *** | 0.07 – 0.22 | -0.18 *** | -0.24 – -0.12 |
RELIEF: flach (unter 5 %) | Reference | Reference | ||
RELIEF: hügelig (5 % und mehr) | 0.06 | -0.01 – 0.13 | 0.01 | -0.04 – 0.06 |
FAMILIENHAUSHALT: kein Familienhaushalt | Reference | Reference | ||
FAMILIENHAUSHALT: Familienhaushalt | 0.42 *** | 0.34 – 0.50 | 0.04 | -0.03 – 0.10 |
GESCHLECHT: männlich | Reference | Reference | ||
GESCHLECHT: weiblich | 0.06 * | 0.00 – 0.11 | 0.19 *** | 0.15 – 0.23 |
ALTER: Kinder und Jugendliche bis 17 J. | Reference | Reference | ||
ALTER: Junge Erwachsene < 35 J. | 0.69 *** | 0.51 – 0.87 | -0.06 | -0.20 – 0.08 |
ALTER: Mittleres Alter | 0.82 *** | 0.64 – 0.99 | 0.09 | -0.05 – 0.23 |
ALTER: Seniorenalter ab 65 J. | 0.70 *** | 0.52 – 0.88 | -0.02 | -0.15 – 0.12 |
ERWERBSTÄTIG: nicht erwerbstätig | Reference | Reference | ||
ERWERBSTÄTIG: erwerbstätig | 0.01 | -0.07 – 0.09 | -0.24 *** | -0.31 – -0.18 |
HOCHSCHULABSCHLUSS: kein Hochschulabschluss | Reference | Reference | ||
HOCHSCHULABSCHLUSS: Hochschulabschluss | 0.06 | -0.01 – 0.12 | 0.16 *** | 0.11 – 0.22 |
PKW_VERFÜGBARKEIT: nein | Reference | Reference | ||
PKW_VERFÜGBARKEIT: ja | 1.52 *** | 1.40 – 1.64 | -0.48 *** | -0.58 – -0.39 |
FAHRRADNUTZUNG: weniger als wöchentlich oder nie | Reference | Reference | ||
FAHRRADNUTZUNG: mind. wöchentlich | -0.57 *** | -0.67 – -0.46 | 1.11 *** | 1.03 – 1.19 |
ÖPNV_ZEITKARTE: keine Zeitkarte | Reference | Reference | ||
ÖPNV_ZEITKARTE: Zeitkarte | -1.01 *** | -1.11 – -0.91 | -0.19 *** | -0.27 – -0.11 |
MULTIMODALITÄT: Monomodales Verhalten | Reference | Reference | ||
MULTIMODALITÄT: Multimodales Verhaltes | 0.01 | -0.10 – 0.11 | -0.23 *** | -0.31 – -0.15 |
ERHEBUNG: MiD 2017 | Reference | Reference | ||
ERHEBUNG: SrV 2018 | 0.02 | -0.24 – 0.28 | -0.12 | -0.33 – 0.08 |
Random Effects | ||||
σ2 | 2.61 | 1.56 | ||
τ00 | 0.80 HAUSHALT | 0.52 HAUSHALT | ||
ICC | 0.23 | 0.25 | ||
N | 10688 HAUSHALT | 10688 HAUSHALT | ||
Observations | 16319 | 16319 | ||
Marginal R2 / Conditional R2 | 0.144 / 0.345 | 0.146 / 0.360 | ||
* p<0.05 ** p<0.01 *** p<0.001 |
4.1 Einflüsse auf die Anzahl an MIV-Wegen
Abbildung 3 zeigt zunächst die Einflüsse der Erklärungsgrößen auf die Anzahl der MIV-Wege, die eine Person am Tag besitzt. Folgende Kernergebnisse können der Abbildung entnommen werden:
Je ländlicher der regionalstatistische Raumtyp ist, umso größer ist die Anzahl der täglichen MIV-Wege. Gegenüber der Referenzgruppe (Regiopole, Großstadt) wird der Wirkungseffekt jedoch knapp nicht signifikant.
Eine hohe Qualität der Nahversorgung und eine gute bzw. sehr gute ÖPNV-Qualität reduzieren die Anzahl der täglichen MIV-Wege.
Je höher die Kaufkraft eines Haushalts, umso mehr MIV-Wege werden täglich zurückgelegt.
In Familienhaushalten erhöht sich die Anzahl an MIV-Wegen pro Person und Tag gegenüber Nicht-Familienhaushalten deutlich.
Gegenüber der Referenzgruppe der unter 18-Jährigen erhöht sich die Anzahl der MIV-Wege mit zunehmenden Alter. Erwachsene mittleren Alters verzeichnen hierbei mehr MIV-Wege als junge Erwachsene und Senioren.
Die Verfügbarkeit eines Pkw am Stichtag der Befragung hat erwartungsgemäß den stärksten Einfluss auf die Anzahl der täglichen MIV-Wege.
Gleichzeitig reduziert sich die Pkw-Nutzung stark, wenn die befragte Person eine ÖPNV-Zeitkarte besitzt.
Nutzt eine Person mindestens wöchentlich das Fahrrad, reduzieren sich ihre MIV-Wege am Tag gegenüber einer Person, die seltener als wöchentlich das Fahrrad nutzt, deutlich.
Die Einflüsse des Reliefs im Wohnumfeld, des Geschlechts, des Erwerbstätigkeitsstatus, des Besitzes eines Hochschulabschlusses und der Multi- bzw. Monomodalität in der Alltagsmobilität zeigen kaum einen Effekt auf die Anzahl der täglichen MIV-Wege.
Der marginale Effekt der Erhebung (MiD oder SrV) auf die Anzahl der täglichen MIV-Wege ist geringfügig und nicht signifikant. Der geringe marginale Effekt spricht für eine hohe Harmonisierungsgüte und somit eine hohe Aussagekraft des kombinierten MiD-SrV-Datensatzes im beschriebenen Anwendungsfall.
4.2 Einflüsse auf die Anzahl an aktiven Wegen
Abbildung 4 veranschaulicht den Einfluss der Erklärungsgrößen auf die Anzahl der aktiven Wege einer Person an einem mittleren Werktag. Folgende Wirkungseffekte auf die Anzahl der täglichen Wege aktiver Mobilität (zu Fuß, mit dem Fahrrad) konnten gefunden werden:
Je ländlicher der regionalstatistische Raumtyp, umso weniger aktive Wege werden pro Person und Tag zurückgelegt gegenüber einer Person, die einer Regiopole bzw. Großstadt wie beispielsweise Augsburg wohnt.
Eine hohe Versorgungsqualität am Wohnort erhöht die Anzahl aktiver Wege einer Person gegenüber einer Person mit einer niedrigen Qualität der Nahversorgung im Wohnumfeld.
Je höher die Kaufkraft eines Haushaltes ist, umso stärker reduziert sich die Zahl der täglichen aktiven Wege einer Person.
Personen mit weiblichem Geschlecht verzeichnen mehr aktive Wege als männliche Personen.
Das Alter einer Person hat im Laborraum Augsburg keinen signifikanten Wirkungseffekt auf die Wegehäufigkeit der aktiven Mobilität.
Erwerbstätige haben deutlich weniger aktive Wege am Tag als Nicht-Erwerbstätige, währenddessen Personen mit Hochschulabschluss signifikant mehr aktive Wege verzeichnen als Personen ohne Hochschulabschluss.
Die Verfügbarkeit eines Pkw im Haushalt reduziert die Anzahl der aktiven Wege deutlich.
Eine mindestens wöchentliche Fahrradnutzung erhöht die Anzahl täglicher aktiver Wege erwartungsgemäß am stärksten gegenüber Personen, die seltener als wöchentlich das Fahrrad nutzen.
Der Besitzes einer ÖPNV-Zeitkarte reduziert die Anzahl an täglichen Wegen aktiver Mobilität, währenddessen eine hohe ÖPNV-Qualität im Wohnumfeld aktive Mobilität geringfügig erhöht.
Ein multimodales Verhalten in der Alltagsmobilität reduziert die Wegehäufigkeit der aktiven Mobilität gegenüber einem vorrangig monomodalen Mobilitätsverhalten im Alltag.
Der Einfluss des Reliefs im Wohnumfeld und der Zugehörigkeit zu einem Familienhaushalt haben im Laborraum Augsburg (inkl. RegioBay-Daten) keinen signifikanten Wirkungseffekt auf die Anzahl der täglichen aktiven Wege.
Der Wirkungseffekt der Herkunft der Daten aus den unterschiedlichen Erhebungen (MiD oder SrV) ist erneut klein und zudem nicht signifikant, sodass die hohe Harmonisierungsgüte und die hohe Aussagekraft des kombinierten MiD-SrV-Datensatzes bestätigt werden.
5 Fazit
Die vorgestellten Analysen zeigen, dass die Alltagsmobilität im Raum Augsburg (Stadt Augsburg inkl. RegioBay-Daten) sich anhand von räumlichen, soziokulturellen und mobilitätsbezogenen Prediktoren nachvollziehbar unter Nutzung des harmonisierten MiD-SrV-Datensatzes modellieren lässt. Die Harmonisierung ermöglicht somit unter anderem eine höhere räumliche Abdeckung, da zusätzlich zu den erhobenen Daten in Städten (Mobilität in Städten - SrV) durch die Fusion mit den MiD-Daten auch eine hohe Verfügbarkeit von Mobilitätsdaten in ländlichen bzw. suburbanen Räumen in Bayern existiert.
Exemplarisch für die Analyse von Wirkungszusammenhängen der Alltagsmobilität wurden die Wegehäufigkeiten der täglichen MIV-Wege und aktiven Wege (Wege ausschließlich zu Fuß und mit dem Fahrrad) untersucht. Die Nutzung eines “Mehrebenenansatzes” (Multi-Level-Model) ist vielversprechend, um zufällige Effekte und Verzerrungen (random effects), die durch die Verletzung des Unabhängigkeitskriteriums bei hierarchischen Daten (Gemeinde-, Haushalts-, Personen-, Wegeebene) entstehen, von den Wirkungseffekten der Erklärungsgrößen (fixed effects) separieren zu können.
Bei der Wegehäufigkeit im motorisierten Individualverkehr (MIV) im Untersuchungsraum Augsburg wird auf räumlicher Ebene ein Einfluss des regionalstatistischen Raumtyps und der Versorgungs- sowie ÖPNV-Qualität im Wohnumfeld festgestellt. Auf soziokultureller Ebene beeinflussen die Zugehörigkeit zu einem Familienhaushalt und das Alter maßgeblich die MIV-Wegehäufigkeit pro Person und Tag. Gegenüber den unter 18-Jährigen verzeichnen alle älteren Altersgruppen deutlich mehr MIV-Wege mit geringen Unterschieden zwischen den einzelnen Altersgruppen. Die Pkw-Verfügbarkeit bildet die Erklärungsgröße mit dem stärksten Einfluss auf die Wegehäufigkeit im MIV. Ihr entgegen wirken besonders der Besitz einer ÖPNV-Zeitkarte und eine regelmäßige Fahrradnutzung im Alltag.
Der regionalstatistische Raumtyp (urbane vs. ländliche Räume) beeinflusst die Wegehäufigkeit der aktiven Mobilität stark. Zusätzlich wirkt sich eine hohe Qualität der Nahversorgung positiv auf die Wegehäufigkeit des Zufußgehens und Radfahrens aus. Auf soziokultureller Ebene zeigt sich, dass Frauen und Personen in Familienhaushalten sowie Personen mit Hochschulabschluss mehr aktive Wege verzeichnen, während eine hohe Kaufkraft eines Haushalts sowie das Ausüben einer Erwerbstätigkeit aktive Mobilität eher reduziert. Auf der Ebene der mobilitätsbezogenen Einflüsse reduziert die Pkw-Verfügbarkeit aktive Mobilität, während eine regelmäßige Fahrradnutzung die Wegehäufigkeit der aktiven Mobilität erwartungsgemäß stark erhöht. Personen mit einem multimodalen Mobilitätsverhalten im Alltag haben im Allgemeinen weniger aktive Wege, sodass aktive Mobilität eher mit einem monomodalem Mobilitätsverhalten im Alltag (insbesondere einer monomodalen Fahrradnutzung) einhergeht.